Montag, 25. Januar 2010

Strand, Samba da Rua, 37 Kinder und ein Ueberfall

Einige Tage sind nun vergangen und ich habe einiges erlebt. Erstmal die schlechten Nachrichten: Am letzten Mittwoch Abend auf dem Heimweg nach der Sambastunde wurde ich mit zwei anderen Maedels aus meinem Haus ueberfallen. Zwei junge Maenner auf einem kleinen Motorrad hielten neben uns an, einer stieg ab und befahl uns leise, aber bestimmt, nicht zu schreien und ihnen Geld, Mobiltelefone und Kameras zu geben. Ich habe gleich meine kleinen Scheine abgegeben und dass ich kein Handy dabei hatte, wollte mir der Bursche nicht glauben und hat daraufhin meine Hosentaschen durchsucht und noch einen kleinen Geldschein gefunden. Meine Freundin Rita hatte leider relativ viel Geld, ihre Kreditkarte und Handy, alles in einer Tasche dabei und war natuerlich alles los. Dann haben sie uns angeschrien, wieder in die andere Richtung zu gehen und uns nicht umzuschauen, damit sie ungesehen abhauen konnten. Das war schon ein grosser Schock und wir waren froh, als wir wieder zu Hause waren. Nun wird auf jeden Fall mit Einbruch der Dunkelheit nur noch Bus oder Kombi gefahren, es ist billig und man kommt sicher bis vor die Haustuer.

Inzwischen habe ich das Ganze gut verdaut, bin noch etwas vorsichtiger geworden, aber nicht mehr so aengstlich. Unsere Organisationschefs Felipe und Ingo haben sich ganz lieb um uns gekuemmert. Donnerstags war ich dann auch das erstemal bei meinem Ballett Projekt und habe die Leiterin Vânia kennengelernt.Wir haben zusammen mit einer weiteren Helferin, Geisa, einen Plan fuer die naechsten 2 Wochen gemacht. Im Moment sind noch Ferien und daher machen wir mit einem Teil der Gruppe ein paar kleine Exkursionen. Das Ballett ist zur Zeit in einem Raum des Centro Cultural Laurinda Santos Loboin Santa Teresa untergebracht, da das eigene Gebaeude nach einem heftigen und langen Regenguss mal zusammengebrochen ist. Nun wird ein neues gesucht, was nicht so einfach ist. Das Kulturzentrum befindet sich in einem wunderschoene, alten Gebaeude aus dem Jahr1907 und wurde 1979 nach einer Renovierung und Instandsetzung offiziell dort eroeffnet. Heute werden dort Kinder aus den umliegenden Favelas betreut, man spielt mit ihnen Theater und Pantomime, bastelt, singt oder macht kleine Ausfluege und unterrichtet sie in wichtigen Dingen fuer das Leben, wie z. B. Sicherheit auf den Strassen. Die Kinder sind zwischen 6 und 16 Jahren alt und stammen aus den Armenvierteln, den Favelas (Slums) rund um Santa Teresa. Man versucht ihnen hier Halt und Zuwendung zu geben, was ihnen in den meisten Faellen zu Hause fehlt. Sie werden oft den ganzen Tag alleine gelassen, niemand kuemmert sich, weil die Muetter entweder arbeiten muessen oder sich nicht fuer ihre Kinder interessieren, teilweise, weil sie einfach ueberfordert sind. Vaeter gibt es oftmals gar nicht, jedenfalls sind sie nicht praesent, weil ihnen nach dem Zeugungsspass in den meisten Faellen der Spass vergeht.

Freitags war ich dann mit der ganzen grossen Gruppe 6 bis 14-jaehriger Kinder - 37 waren es - in einem kleinen Museum von Benjamin Constant (u. a. Gruender einer Blindenschule fuer Kinder). Natuerlich war ich nicht allein, sondern mit 4 weiteren brasilianischen Betreuer/innen und einer deutschen Volontaerin. Es war ein richtig schoener Nachmittag und ich habe selten so aufgeschlossene Kinder erlebt. Viele sind sehr wissbegierig und stellen mir Fragen von "wie kalt ist es in Deutschland" bis "hast du einen Mann und Kinder" oder "willst du in Brasilien bleiben". Sie sind sehr anhaenglich und suchen oft Koerperkontakt und strahlen trotz ihrer Armut unglaublich viel Lebensfreude aus. Da fragt man sich, worueber und warum wir uns eigentlich noch beklagen koennten... Groesstenteils sind es Maedchen, die zu diesen Gruppen kommen, die Jungen sind schwerer aus ihrem Milieu herauszulocken, da die Drogenkommandos sie schon mit 5 oder 6 Jahren in ihre Kreise als "Kuriere" oder "Soldaten" fuer ihre zerstoererischen Machenschaften locken. Aber dieser erste Nachmittag war fuer mich eine wunderbare Erfahrung und ich freue mich darauf, mehr zu geben, um diesen kleinen Schaetzen eine Basis fuer ein gutes Leben zu ermoeglichen.

Am Wochenende haben wir enfach nur das Leben in Rio bzw. Santa Teresa genossen. Freitagabend ging es los mit "Samba da Rua" vor der "Bar Gomes" in Santa Teresa, in der Naehe unseres Hauses. Dort trifft man sich dann bei Samba mit einer "Bateria" (eine Samba-Trommelgruppe) auf 2 bis 20 Bier und steht noch bis in die Nacht zusammen. Dort hat mir unser Haus-Manager einige Menschen aus dem Viertel vorgestellt, es ist immer gut, viele gute einheimische Bekanntschaften oder Freunde zu haben, habe ich gelernt. So faellt man als Tourist oder Auslaender nicht auf, wenn man "wichtige" Leuten aus dem Viertel kennt und sich unter sie mischen kann, was wiederum auch fuer die eigene Sicherheit gut ist. Und wir hatten viel Spass.

Samstags waren wir in Niteroi, eine Art Ablegerstadt gegenueber von Rio auf der anderen Seite der Guanabara Bucht. Dort steht das Museum fuer zeitgenoessische Kunst "MAC", entworfen von Oscar Niemeyer, der jetzt 102 Jahre alt ist. Das Gebaeude hat wohl fast jeder schon gesehen. Innen ist es relativ unspektakulaer, aber man muss es ja mal gesehen haben.

Sonntags war Strandtag in "Barra da Tijuca", der schoenste Stadtstrand von Rio, 12 km lang, viel sauberer als und nicht so voll wie Copacabana oder Ipanema. Ausserdem ist man dort sicherer unter vielen neureichen Einheimischen, die sich hier in den letzten 10/15 Jahren Apartments und ein schoenes Leben leisten konnten. Man faehrt dort zwar 1 bis 1,5 Stunden mit dem Bus hin, aber es lohnt sich. Das Busnetz von Rio ist sowieso ein Phaenomen. Es gibt Zig-Tausende Busse und Linien, aber keinen richtigen Fahrplan oder eine Uebersichtskarte. Eine grosse Herausforderung, sich damit zurechtzufinden, wenn man nicht weiss, welcher Bus eigentlich wann, von wo aus und wohin faehrt. Alle haben Bus-Nr. und die Fahrer sind auch meist hilfsbereit, aber ich werde noch eine Weile brauchen, um meine wichtigen Strecken auswendig zu lernen.

Heute habe ich zum ersten Mal meine eigentliche Ballettgruppe getroffen, zumindest einen Teil davon. Wir haben einen Ausflug zu einem Aussichtpunkt gemacht, von wo aus man die Christus Statue auf dem "Corcovado" gut sehen konnte und eine wunderbare Aussicht ueber einen grossen Teil der Stadt hat. Leider hatte ich keine Kamera dabei, da bin ich im Moment sehr vorsichtig, weil wir auch an einigen Favelas vorbei mussten. Beim naechsten mal dann...
Ach ja, und heute morgen hatten wir wieder kleine Kapuzineraeffchen zu Gast zum Fruehstueck, das kommt oefter vor und meist sind sie mit ein paar Bananen zufrieden.

Noch kurz zum Wetter: es ist immer noch heiss mit weit ueber 30 Grad, aber das Klima bekommt mir gut. Meist haben wir abends einen laengeren, oft auch heftigen Schauer, man glaubt kaum, was hier dann an Wasser die Huegel hinabrast, letzte Woche ist ein Baum auf unsere obere Terrasse geschwemmt worden.

Morgen werde ich losgehen und ein paar Handgeraete der rhythmischen Sportgymnastik fuer meine Gruppe kaufen, damit ich mit ihnen naechste Woche ein paar Sachen ueben kann. Diese Woche steht noch an Afro-Samba-Stunde am Dienstag, in Ipanema ausgehen am Donnerstag, Barbecue am Freitag bei uns zu Hause mit dem ganzen Team und am Wochenende eine Sambaschule besuchen und wie immer STRAND.

Und ein paar Bilder der ersten Tage:
http://www.facebook.com/album.php?aid=137217&id=567959597&l=01e23c388a

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