Wie soll ich es sagen? Es sind drei Monate vergangen seit
meinem letzten Blogeintrag, die Tage und Wochen sind ab Anfang Januar in einem
solchen Tempo an mir vorbei geeilt, dass ich manchmal kaum hinterher gekommen
bin. Ich werde hier jetzt keinen detaillierten Bericht dieser drei Monate
abgeben, aber ein paar Dinge, die mir so einfallen, möchte ich gerne erzählen.
Da war also zunächst Weihnachten, auch hier am 24. Heilig
Abend und am 25. Dezember Weihnachtstag, aber nur einer. Das schönste für mich
ist, dass es so warm ist und ich mich nicht in dicke Klamotten packen oder in
einer durchgeheizten Wohnung hocken muss. So habe ich dann den Heiligabend mit
den Volunteers im Volunteer Haus bei einem schönen Truthahnessen auf der Dachterrasse
verbracht. Bei 31 Grad – abends und nachts. Und das war sehr schön, entspannt
und wir hatten viel Spaß mit einer erfundenen Wichtelvariante, so dass auch
jeder ein kleines Geschenk bekommen hat.
Am Abend des Weihnachtstags, hat die Stadtverwaltung für 7
Millionen Real Stevie Wonder am Strand der Copacabana spielen lassen, gratis
für alle Besucher. Als Vorprogramm und später auch in Stevie’s Show trat
Gilberto Gil, einer der berühmtesten brasilianischen Sänger, auf. Beide hatten
auch ihre Kinder mitgebracht, es haben dann auch noch alle gemeinsam gesungen,
also so richtig schön wie es zu Weihnachten sein soll, alle haben sich lieb… Ich
war dort mit einigen Freunden, wir hatten viel Spaß und diese Open Air
Veranstaltungen hier am Strand sind einfach immer großartig, weil es immer warm
ist und die Menschen fröhlich und es insgesamt immer sehr friedlich zugeht.
Und dann Silvester, eines meiner absoluten Highlights. Es war
ein toller, wunderschöner, ganz entspannter, superlustiger und harmonischer
Abend mit 11 Menschen aus Brasilien, Uruguay und Deutschland. Wir alle haben
uns am späten Nachmittag im Apartment der Großmutter einer Freundin im
Stadtteil Botafogo getroffen. Es wurde Essen vorbereitet, Drinks gemixt, Blumenhaarschmuck
gebastelt und dann haben sich nach und nach alle hübsch gemacht. Und es war so
eine fröhliche, entspannte Stimmung, gesprochen wurde portugiesisch, englisch,
spanisch und deutsch. Das Essen sollte um 21h stattfinden, aber wir sind ja
hier in Brasilien, das heißt, wir haben letztendlich erst um etwa 22.15h
gegessen und haben den Weg zum Strand von Leme (neben Copacabana) halb rennen
müssen, um noch in 2012 dort anzukommen. In sensationellen 35 Minuten haben wir
die ungefähr 2-3 km zurückgelegt, zwischendurch haben wir uns immer wieder
gezählt, und sind um 23.55h angekommen, gerade noch rechtzeitig, um einen
schönen Platz zu finden, wo wir uns alle um 0.00h in die Arme fallen konnten
mit den besten Wünschen für 2013. Es gab ein etwa 18-minütiges fantastisches
Feuerwerk entlang der ganzen Copacabana, aber das kennt man ja aus dem
Fernsehen. Wenn man da so steht und schaut, ist es für 5 Minuten wirklich toll,
aber nach etwa 10 Minuten spätestens denkt man, dass es doch jetzt reicht und
was man mit diesem in die Luft geblasenem Geld hier alles bewegen könnte… Nun
gut, es war trotzdem schön, wir haben ein paar Stunden getanzt, getrunken und
sind über Wellen gehüpft und haben die Meeresgöttin Yemanja bejubelt, um ihr zu
danken und Wünsche an sie zu richten. Ich war in dieser Nacht mit wunderbaren
Menschen zusammen, die ich größtenteils gar nicht oder kaum vorher kannte, aber
alle waren wir uns doch nah, alle haben diese Harmonie und die ganz stark
verbindende Energie gespürt, jeder hat es irgendwie bemerkt. Es war wohl eine
der allerschönsten Silvesternächte meines Lebens, ich bekomme jetzt noch eine
Gänsehaut, wenn ich daran denke und ich bin sehr dankbar, Marina, Laura, Moreno,
Mauri, Diego, Carlos, Juan, Augusto, Priscila und ganz besonders meine
allerliebste Lisa!!!
Nach Neujahr hatte ich noch zwei Tage zum Durchatmen vor der
absoluten Sommerhochsaison in Rio und damit auch für uns: Am 3.-5. Januar
erwarteten wir 18 neue Volontäre an einem Wochenende. Da meine Kollegin Viviana
zu der Zeit noch im europäischen Urlaub war, hatte ich den ganzen Empfangsspaß
fast alleine abzuwickeln. Bis auf ein paar kleine Wehwehchen von etwas
überwältigten jungen Volontären ist aber alles ganz gut gelaufen, alle wurden
ordnungsgemäß in alles eingewiesen und innerhalb der ersten Woche alle auf ihre
Projekten platziert. Hilfe hatte ich dabei von einem Kollegen, der ab und zu
mal einspringt bei Platzierungen, wenn es zu viele werden. Ha, und hier kommt
mir natürlich auch meine, hier immer als „typisch deutsch“ benannte, effiziente
Vorbereitung und Organisation solcher Angelegenheiten zu Gute. Wenn man gut
vorbereitet ist, gut plant und ein paar Tage vorher schon an alles denkt, lässt
sich dann auch alles leichter abwickeln und durchführen. Da darf dann auch mal
was unvorhergesehenes passieren, darauf kann man dann auch leichter reagieren.
Die darauf folgenden Wochen bis Ende Januar hatten wir dann
jedes Wochenende noch weitere Neuanreisen. Meine Kollegin Vivi war zwar wieder
zurück, hat sich aber nach ihrer ersten Woche bei einem blöden Motorradunfall
ihr Bein derartig verbrannt, dass sie über zwei Wochen nur zu Hause bleiben
konnte. Und gerade sie ist eigentlich immer viel auf unseren Projekten
unterwegs. So musste ich also das meiste selbst machen. Will heißen, Volontäre
auf Projekte platzieren, 1-2mal die Woche in den mittlerweile drei Gästehäusern,
wo alle wohnen, nach dem Rechten schauen und präsent sein, kleinere, mittlere
und manchmal größere Probleme mit oder für Volontäre lösen, die in allen
Bereichen mal auftauchen (Projekt, Haus und Kommunikation) und zwischendurch
noch ein Filmteam betreuen. Jede Woche gibt es jetzt auch einen Abend, wo sich
alle in der Bar do Gomes in Santa Teresa treffen, um sich kennen zu lernen und Erfahrungen
aus zu tauschen, denn wir haben für über 40 Volontäre keinen Ort, um gemeinsam
über alles Mögliche zu sprechen. Ich liebe diesen Job, deshalb habe ich wohl
auch irgendwie all die nötige Energie dafür aufbringen können, das alles fast
allein zu schieben, aber alles ist letztendlich supergut gelaufen, alle waren
zufrieden und mein Chef Felipe, der selber ein Restaurant betreibt und deshalb
mir das ganze Management der Organisation überlässt, möchte, dass ich für immer
bleibe… Ein sehr schönes Kompliment und ich hätte das gerne in Betracht
gezogen, aber… dazu komme ich später.
Dann kam der Karneval.
Plötzlich ist die Stadt voller Menschen, noch mehr Menschen….
Es wird überall auf den Straßen gefeiert, es gibt ab Januar schon Umzüge, sogar
die Proben der Bands und Baterias (Trommelgruppen) sind öffentlich und nichts
läuft mehr normal je näher der Karneval kommt. Man kann also nirgendwo mehr
hingehen oder hinfahren, ohne auf einen „Bloco“ (Straßenkarneval) zu treffen.
Es gibt schöne und wirklich lustige Blocos, wo man einfach Spaß hat, es
friedlich zugeht und man nicht beklaut wird. Ganz schlimm sind die an den Stränden
von Copacabana und Ipanema, wo so viele Bekloppte sich besaufen, überall
hinpinkeln und kotzen und es einfach ekelhaft ist. Und da wird man dann auch
beklaut, also nicht ich, aber viele viele Touristen, die sich dort auch als
solche zur Schau stellen. Ok, jeder soll seinen und ihren Spaß haben, ich fand
es einfach blöd, dass ich wochenlang nicht an den Strand in Ipanema gehen
konnte. Irgendwie ist die Stimmung dann auch aufgeheizt und angespannt in der
ganzen Stadt. Man kann sicher sein, dass viel mehr Taschendiebe und andere
Kleinbanditen in der Stadt unterwegs sind und die diese Zeit für gute Geschäfte
nutzen, leichtsinnige, betrunkene und unbedarfte Touristen auszurauben.
Gerne wäre ich dem Ganzen entflohen, aber ich musste hier
bleiben für eventuelle Zwischenfälle bei den Volontären, wo ich dann hätte
helfen müssen. Aber glücklicherweise waren alle brav, niemand ist verloren
gegangen oder wurde verletzt, auch dank unserer langen Liste von wichtigen und
guten Hinweisen zum Verhalten in Rio zum Karneval… Ich habe dann zwei Tage
mitgefeiert auf zwei großartigen Blocos und war im Sambódromo. Das war schön,
wir hatten viel Spaß, aber bei dieser Hitze von 38 Grad ist man auch ganz
schnell sehr erledigt. Ich war froh als der Zauber endlich vorbei war, was sich
allerdings dann auch noch bis zum Sonntag nach Karneval hinzog, und man sich
wieder frei und entspannt in der Stadt bewegen konnte.
Meine Wohnsituation hat sich inzwischen auch wieder
verändert. Nach 2,5 Monaten bei einer jungen alleinerziehenden Mutter in Santa
Teresa, die ihr Apartment zu Karneval an so viele Leute vermietet hatte und
dann auch noch ab Ende Januar selber dort mit ihren zwei Kindern wohnte, dass
wir insgesamt zu acht dort waren, habe ich meine Koffer gepackt und bin wieder
nach Ipanema gezogen. Hier bin ich jetzt seit drei Wochen bei einer Freundin
untergebracht, die aber auch eine ordentliche Miete von mir verlangt. Das ist
hier in Rio sowieso unglaublich teuer geworden und man sollte auch nie damit
rechnen, dass man bei Freunden billiger wohnen kann. Die Carioca machen jetzt
richtig Geld mit allen freien Zimmern, die sie haben. Manchmal ist das echt
unverschämt. Und mit der WM 2014 und der Olympiade wird das hier alles noch
mehr explodieren. Da wird einem echt schlecht… Mein 10m² Zimmerchen hier in
Ipanema in einem Apartment im letzten Block, im 19. Stockwerk, immer heiß, soll
BR 2.000 monatlich kosten, also etwa € 780,- …. Viel teurer als in Frankfurt
und die vermieten hier sogar ihre „Empregada-Zimmerchen“ (für die
Hausangestellte), meist ohne Fenster und maximal 6m² mini für über € 300,-.
Überhaupt ist alles um etwa 15 – 20% teurer geworden und es geht lustig weiter,
gerade wurden die Buspreise wieder um 10% angepasst…
So, was habe ich noch gemacht?
Den deutschen Herrn Generalkonsul in Rio zu unserem Projekt
Nova Chance gebracht, wo man jetzt über eine Zusammenarbeit redet. Ein Filmteam
von Worldnomads betreut bei ihren Aufnahmen bei unseren Projekten. Volontäre zu
Ärzten begleitet. Weinende Volontäre wieder auf die Spur geschoben. Viel Eis
gegessen. Unter einem Wasserfall in einer Höhle geduscht und barfuß im Dunkeln
durch den Regenwald von Rio spaziert. Gefühlte 20.000 km zu Fuß und 80.000 km
mit Bussen zurückgelegt. Viel geschwitzt. Im Meer gebadet. Sonnenuntergänge am
Arpoador genossen. Viel Spaß gehabt.
Sehr schön war das Wochenende in Trindade, ein Örtchen mit
ein paar wunderbaren Stränden, etwa 200 km von Rio entfernt. Da habe ich 2
entspannte schöne Tage am Strand verbracht und wäre am liebsten geblieben. Die
Stadt Rio laugt einen oft sehr aus und man muss hier ab und zu mal raus, um zu
sehen, wie schön Brasilien und die Gegend hier eigentlich ist. Ich bin oft sehr
erschöpft vom vielen Busfahren, rumlaufen, Hitze, dreckige Luft und überall
Lärm… Carioca sind auch oft unglaublich laut. Hier gibt es immer irgendwas, das
nicht funktioniert, man wartet oft und lang und überall auf irgendwas oder
irgendwen…. Aber ich weiß, wenn ich zurück in Europa sein werde, wird mir
dieses Gewusel auch fehlen, denn es hetzt hier auch keiner und das macht einen
mit der Zeit geduldiger und man hat in Deutschland irgendwie das Gefühl, dass
es doch alle mit der Schnelligkeit und Ungeduld, wenn mal was nicht gleich
flutscht, total übertreiben.
Ich gebe zu, ich bin schon oft sehr erschöpft, könnte ab und
zu selber mal jemanden brauchen, der sich um mich kümmert. Aber ich bin
glücklich und dankbar hier zu sein und das zu tun, was ich tue. Ich treffe jede
Woche neue und interessante junge, aber auch ältere Menschen aus aller Welt,
unsere Volontäre, die hierher kommen und größtenteils ernsthaft helfen wollen,
manche die Welt in zwei Wochen verändern, was ja nicht geht, aber der Wille
zählt, und dann all die Menschen mit denen ich zusammen arbeite… ihr seid großartig!
Ich sehe hier Menschen sich persönlich entwickeln, nehme daran teil, versuche,
Ihnen dabei Orientierung zu geben, zu helfen und ein paar gute Dinge mit auf
den Weg zu geben.
Diese Zeit hier ist ein wunderbares Stück meiner Reise.
Anfang April fliege ich nach Deutschland zurück, wo ich nur
kurz sein werde, um ein paar Dinge zu organisieren und zu regeln und vor allem,
meine Familie und Freunde, die ich natürlich oft vermisse, zu sehen und zu
umarmen. Danach habe ich für 6 Monate eine neue Aufgabe als Reiseleitung in
einem Familienhotel in Griechenland, worauf ich mich sehr freue.
Ich liebe mein Leben. Ich lebe einen Traum.
Bis bald, eine Riesenumarmung aus Rio, 1000 beijinhos!!!
Und noch die paar Fotos:
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Heiligabend Drinks |
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Heiligabend Gruppenfoto |
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Heiligabendessen... |
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Stevie Wonder Konzert mit Dani und Michi |
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und der Rest der Gruppe vor dem Konzert |
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Stevie... |
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Silvester am Strand... |
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mit der wunderbaren Lisa... |
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und den wunderbaren neuen Freunden! |
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mit Mauri und Diego in Santa Teresa |
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entspannte Füße, endlich... |
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enspanntes Essen und Drinks... |
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Praia...... |
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mein Wunsch Zuhause... |
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ich weiß immer noch nicht, wie man es dreht... |