Sonntag, 18. April 2010
Geburtstag, Favelabesuche, neue Freunde und ein leichter Abschied
Obwohl ich nun schon über eine Woche zurück in Deutschland bin, möchte ich Euch die letzten vier Wochen in Rio nicht vorenthalten.
Mein Geburtstag am 14. März war ein schöner und sonniger Tag. Ich habe mich mit ein paar Freunden gegen Mittag zum Brunch in einem Bistro in Ipanema getroffen. Es gab einen wunderbaren Kuchen aus dunkelster Schokolade mit fetter, dunkler Schokocreme drinnen - ganz wie ich es am liebsten mag. Am Nachmittag waren wir am Strand, wo ich von ein paar Hippies aus Zuckerrohrblättern gebastelte Figuren bekommen habe. Kurz vor dem ersten Regenguss am Abend habe ich mir noch ein Henna-Tatoo, natürlich einen Delphin, auf's Bein malen lassen.
In der Woche nach meinem Geburtstag ging dann alles Schlag auf Schlag. Ich hatte mit dem Chef unserer Organisation Iko Poran, Felipe, ein Gespräch, in dem ich ihm meine Eindrücke und Erfahrungen in meinem Projekt geschildert habe, ihm meine Meinung zur Arbeit der Organisation, zur Unterbringung im Gästehaus und der Betreuung der Volontäre durch die Organisation dargelegt und auch Lob, Verbesserungsvorschläge und einige meiner Ideen vorgetragen habe. Bei der Gelegenheit habe ich auch erwähnt, dass ich gerne bleiben würde bzw. einen Job finden möchte, der mir das erlaubt, aber wohl nicht davon ausgehe, dass es in der Organisation einen solchen gibt. Felipe fand mein Engagement, mein konstruktives Feedback und meine Initiative, Geld zu sammeln und Geräte für mein Projekt zu kaufen, sehr schön und hat mir angeboten, als Botschafterin für Iko Poran in Deutschland tätig zu werden. Deutsche Volontäre sind beliebt, weil in der Regel zuverlässig und gut organisiert, und meine Aufgabe wird es sein, dafür zu sorgen, dass Iko Poran in Deutschland bekannter wird und mehr deutsche Volontäre nach Rio kommen. Und natürlich Spenden sammeln für unsere Partnerorganisationen. Das habe ich gleich zugesagt, denn das ist eine Aufgabe, die zu meinen Zukunftsplänen passt.
Zwei Tage später habe ich mich wieder mit Felipe und seinem Mitarbeiter Ingo getroffen, um Ideen darüber zu auszutauschen, wie man die Rekrutierung von Volontären in Deutschland am besten angeht. Felipe hat mir an diesem Tag das Angebot gemacht, ihn im Juni und Juli in Rio sozusagen zu vertreten, da er selbst in der Zeit als Volontär nach Südafrika zur Fußball WM gehen wird. Dieses Angebot hat mich wirklich sehr überrascht und berührt, kennt Felipe mich doch kaum und gibt mir damit einen großen Vertrauensvorschuss, danke danke. Die Entscheidung war sehr leicht, selten haben Bauch, Herz und Kopf so einhellig "JA" gerufen. Es fehlte nur noch die Entscheidung meines Chefs bei meinem Arbeitgeber in Deutschland. Zwar musste ich darauf noch 10 Tage warten, da es wichtigeres gab, als seine Assistentin wieder nach Rio zu schicken, aber dieser wunderbarste und verständnisvollste Chef der Welt hat mir gleich noch zwei Monate unbezahlten Urlaub zugesagt. Welch unfassbares Glück für mich!!! Danke, Erwin!
Um schon jetzt soviele wie möglich von Iko Porans Partnerorganisationen und Projekten kennenzulernen, habe ich mich in diesen letzten Wochen einige Male mit Ingo, dem Koordinator für Volontäre und Projekte, auf den Weg in die verschiedenen Favelas hauptsächlich im Norden Rio's gemacht. Dort habe ich gesehen, wie engagierte Mitbürger in diesen Gemeinden aus weniger als nichts Hilfsprojekte schaffen, wo den Kindern und auch Erwachsenen ein sinnvolles Angebot für Betreuung, Aus- und Weiterbildung in verschiedenen Bereichen sowie Freizeitbeschäftigung angeboten und von ihnen auch gern angenommen wird. So werden die Kinder von der Straße ferngehalten, den Eltern kann geholfen werden, durch Alphabetisierung oder auch z. B. Erlernen der englischen Sprache oder von Computerprogrammen, die Chancen eine Arbeit zu finden zu erhöhen. Es sind kleine Einrichtungen, oftmals nur notdürftig hergerichtet, mit kleinen Räumen, die wir vielleicht nicht mal als Abstellraum nutzen würden, alten Möbeln, die wir längst auf den Sperrmüll geworfen hätten, aber alles wird mit großer Hingabe und viel Engagement so in Stand gesetzt, dass es nutzbar wird. Der Inhalt zählt hier, nicht der Raum, in dem gelehrt wird, solche Ansprüche kann man hier nicht stellen. Und es werden immer freiwillige Helfer mit vielen Fähigkeiten gesucht: Unterricht in Englisch, Spanisch, Deutsch, verschiedene Sportarten wie Fußball (ja, auch in Brasilien), Basketball, je nach Möglichkeiten auf dem Gelände der Gemeinde, Computerlehre, Handwerke, Gartenbau und -pflege, wichtig sind auch Gesundheits- und Hygieneerziehung und sexuelle Aufklärung und und und, alles, was die Lebensbasis der Menschen verbessern kann. Auch neue Angebote werden gerne angenommen, so wie ich z. B. in der Ballettschule von Santa Tereza die Rhythmische Sportgymnastik eingeführt habe. Iko Poran koordiniert diese Projekte und platziert jeweils die passenden Volontäre entsprechend deren Fähigkeiten und Interessen. Und Iko Poran betreut die Volontäre, gibt Orientierung in der Stadt und im alltäglichen Leben und ist Ansprechpartner in schwierigen Situationen. Und genau das und die dazugehörende Organisations- und Administrationsarbeit werde ich im Juni und Juli hier zusammen mit Ingo tun. Ein weiterer Schritt auf meinem Weg nach Brasilien :)
Mein Projekt am Ballet de Santa Teresa hat mir sehr viel Spaß gemacht. Meine Spendensammlung hat sich richtig gelohnt. Wir konnten von dem Geld erstmal jeweils einen Satz von 8 Stück jedes Gerätes kaufen: Seile, Reifen, Bälle und die beliebten Bänder. Alles in wunderschönen Farben. Wir haben anlässlich der Abholung der Sachen beim Sportclub Tijuca einen gemeinsamen Ausflug dorthin gemacht. Ein alter VW Kombi hat uns hingefahren und abgeholt, das war ein großer Spaß für alle. Sogar am richtigen Training des Vereins durften unsere Mädchen an disem Abend teilnehmen. Das war sehr spannend und alle waren sehr aufgeregt. Unten steht ein Link zu den Fotos dieses Tages und ein paar weiteren vom Unterricht und Ausflügen.
Es sollten noch einige Fotos mit allen Geräten an meinem Abschiedstag gemacht werden und die Mädchen hatten wohl auch etwas schönes für mich zum Abschied vorbereitet. Leider setzte aber dann der große schlimme Regen in Rio ein und die Kinder durften ihre Häuser nicht verlassen. Das Ausmaß der Regenfälle war für die Ärmsten in Rio sehr schlimm. In einer der Favelas, in der meine Organisation auch ein Projekt betreut, gab es einen Erdrutsch mit einigen Todesfällen. Gebäude anderer Projekte sind durch Wasser stark beschädigt. Da noch etwas Geld übrig ist, das ich natürlich treuhänderisch verwalte, werde ich es dort einsetzen, wo es am dringendsten benötigt wird, wenn ich zurück gehe.
Die letzten Wochen waren also in jeder Hinsicht nochmal sehr intensiv, es war ein gutes Gefühl zu wissen, etwas schönes und gutes erreicht zu haben. Aller Einsatz hat sich gelohnt und ich bekomme die Chance, weiterzumachen. Ich bin sehr dankbar.
Tagsüber war ich immer viel unterwegs, Metro, Bus, Bus, zu Fuß in verschiedenen Favelas. Jeden Tag lernte ich so beeindruckende und wunderbare und freundliche Menschen kennen - sie sind herzlich und lebensfroh trotz Armut und vieler Probleme - das macht unsere Art von Problemen ziemlich lächerlich und wir jammern trotzdem soviel in Europa. Es war oft wahnsinnig anstrengend, aber ich liebe diese Stadt und das Leben und Lebensgefühl dort, wenn es auch nicht einfach ist und es jeden Tag immer irgendwelche kleinen Hürden zu bewältigen gibt. Und auch Brasilianer haben schlechte Launen, sind nicht immer in Partylaune und tanzen auch nicht immer Samba. Aber man nimmt das Leben insgesamt leichter und einfach als gegeben hin und lässt dem Frust nicht soviel Raum.
Abends habe ich mich oft mit meinen neuen Freunden getroffen: meine Vermieterin Danielle, in deren Wohnung ich mich so zu Hause fühlte, Rita, meine portugiesische Sonne, ihre große Schwester Daniela, die mich nochmal eindringlich vor den brasilianischen Männern gewarnt hat, die liebe Marie aus Santa (meine beratende Stimme), meine Portugiesischlehrerin Thais, DJ Marcelo, Costa Rica-Andrea, Baterista Kleyton und nicht zuletzt mein schnellsprechender Zweitchef Botafogo-Felipe und mein großartiger neuer Kollege Flamengo-Ingo.
Ich hatte eine wunderbare Zeit in Rio und dank der guten Entwicklungen fiel der Abschied leicht mit dem Wissen, dass ich ja in sechs Wochen wieder dort sein werde. Am Samstag, 22. Mai 2010 geht mein Flieger Richtung Rio. Ich werde Euch weiter berichten.
Ich bin sehr glücklich und dankbar.
Hier noch ein Links zu den Fotos auf Facebook:
http://www.facebook.com/album.php?aid=159739&id=567959597&l=acb9c4ff3c
http://www.facebook.com/album.php?aid=158854&id=567959597&l=8a454b4852
http://www.facebook.com/album.php?aid=156125&id=567959597&l=d294f85785
Abonnieren
Posts (Atom)